Die 7 besten Tipps aus den Tai-Chi-Klassikern: So kommst du beim Üben wirklich weiter
Du möchtest deine Tai-Chi-Praxis im Wu-Stil vertiefen und fragst dich, wie du dich verbessern kannst? In diesem Beitrag gebe ich dir sieben bewährte Tipps aus den Tai-Chi-Klassikern, die dir helfen, typische Anfängerfehler zu vermeiden und das Wesentliche beim Üben zu erkennen. Schritt für Schritt entwickelst du eine stärkere Verbindung zu dir und der Form. Die klassischen Texte des Tai Chi Chuan bieten zeitlose Übungsprinzipien, die dir zu mehr Achtsamkeit, Leichtigkeit und innerer Kraft verhelfen. Diese Tipps sind dein Kompass für ein bewussteres Üben.
1. Beachte voll und leer
Im Tai-Chi ist das Konzept von „voll“ und „leer“ zentral. Die Belastung auf einem Bein (voll) hilft, Stabilität zu schaffen, während die Entlastung im anderen Bein (leer) die Beweglichkeit im Oberkörper ermöglicht. Die Gewichtsverteilung liegt bei 70 Prozent auf dem vollen und 30 Prozent auf dem leeren Bein. Damit deine Schritte leicht werden, bleibe stets parallel und schulterbreit und achte auf den korrekten Abstand zwischen den Füßen.
Viele Anfänger stehen zu lang, zu schmal oder beides. Im Gegensatz zu Karate und anderen Kampfsportarten sind die Stände im Tai-Chi kürzer. Eine halbe Fußlänge genügt in der langsamen Form. So bleiben die Füße stets mit dem Boden verbunden, auch wenn die Beine unterschiedlich belastet sind. Die optimale Belastung führt zur Entlastung des gesamten Bewegungsapparates. Aus diesem Grund wird Tai-Chi auch zur Sturzprävention bei älteren Menschen eingesetzt.
Die Kunst des Tai Chi besteht in erster Linie darin, Leere und Fülle zu trennen. Wenn der ganze Körper auf dem rechten Bein ruht, dann ist das rechte Bein voll und das linke Bein leer. … Wenn man nicht trennen kann, dann ist das Ausführen eines Schrittes schwer und zögerlich, selbst das Stehen ist dann nicht mehr sicher …
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2. Öffne den Brustraum und hebe den Rücken
Öffne den Brustraum im Solarplexus-Bereich, sodass die Magengrube frei wird und du aufrecht stehst. Vermeide es, sie einzudrücken oder aufzublasen („Brust raus“). Das Energiezentrum in der Magengrube heißt auch „mittleres Dantian“ und ist die energetische Sammelstelle der Lebensenergie Qi, die Körper und Geist verbindet.
Runde deinen Rücken im Bereich des Schultergürtels aus und lass die Schultern locker nach vorne fallen. Wenn deine Arme einen Ball formen, muss gleichzeitig der obere Rücken gerundet werden, um mehr Elastizität zu entwickeln und die Faszien in die Bewegung einzubeziehen.
Der Körper ist insgesamt locker und aufrecht und der Kopf wird für dich wie mit einem Faden, der am Himmel befestigt ist, gehalten. Lasse noch einmal deine Schultern los und bewege deine Arme unabhängig von den Schultern. Gib die Last des Alltags ab; zu viel Anspannung und eine kopflastige Arbeit zieht das Qi nach oben und schwächt deine Basis im Unterbauch, genannt das „untere Dantien“.
Bei allen Vor- und Rückwärtsbewegungen fließt das Qi in den Rücken und sammelt sich in der Wirbelsäule. Nach innen stärkst du deine Lebenskraft, nach außen wirkst du friedlich und still. Gehe wie eine Katze und benutze die innere Kraft (jin), als würdest du Seide aus einem Kokon ziehen.
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3. Drehe in der Taille und lass locker
Die Taille ist der Motor aller Bewegungen, zumindest im Tai-Chi des Wu-Stils, im Yang-Stil ist es die Hüfte. Denn im Wu-Stil bleiben die Füße stets parallel. Ein Drehen aus der Hüfte würde dich aus der Balance bringen.
Die Schulterdrehung um den Taillenbereich gleicht dem Fahrradlenker, der in der Mitte befestigt sein muss, um eine Richtungsänderung einzuleiten. Genauso nutzen wir im Tai-Chi die Taille: Die sanfte Drehbewegung um die vertikale Achse des aufrechten Körpers entspannt die Wirbelsäule.
In der Anwendung neutralisiert die Taillendrehung einen gegnerischen Angriff, lenkt ihn in eine andere Richtung und lässt ihn somit ins Leere laufen. Das funktioniert nur, wenn die Hüfte nicht mitgedreht wird. Vielen Anfängern, aber auch Fortgeschrittenen fällt es schwer, Taille und Hüfte zu trennen. Wenn du Wu-Stil übst, gilt: Mehr Taille drehen ist immer richtig.
Die innere Energie wurzelt in den Füßen, entwickelt sich in den Beinen, wird von der Taille gelenkt und wirkt durch die Finger.
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4. Nutze die Kraft aus der Mitte
Nutze die Kraft aus deinem Zentrum im Unterbauch, das untere Dantian, auch bekannt als Sakralchakra. Hier fließt Jing, die Vitalität. Es ist das Zentrum deiner körperlichen Kraft und Stärke. Die Lebensenergie Qi sinkt aus dem „mittleren Dantian“ in den Unterbauch und sammelt sich dort, um Körper und Geist miteinander zu verbinden.
Verbinde dich mit dieser Mitte, um deine Bewegungen kraftvoll zu gestalten, dein Gleichgewicht und die Stabilität deines Stands zu verbessern. Lege die Hände übereinander auf den Unterbauch, mit den Daumen auf dem Bauchnabel und konzentriere dich für einen Moment darauf.
Nutze die Kraft aus der Mitte, um auf einem Bein zu stehen und dein Gleichgewicht zu halten, indem du zuerst auf einen stabilen Stand achtest, bevor du das andere Bein langsam in die Luft hebst. Konzentriere dich dazu auf deinen Unterbauch, stelle dir vor, dass du mit dem Kopf nach oben wächst und mit dem Standbein nach unten.
Stehen wie eine ausbalancierte Waage. Beweglich wie ein Wagenrad.
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5. Lächle, öffne Herz und Geist
Öffne dein Herz und deinen Geist (Shen). Shen wird auch als „oberes Dantian“ bezeichnet und befindet sich auf Höhe des dritten Auges (Stirnchakra). Die Konzentration auf Shen hilft dir, deiner Eingebung und spontanen Impulsen zu folgen statt mit dem Verstand zu urteilen. Sei sanft zu dir selbst und mache dir keine Sorgen über Fehler.
Öffne dein Herz, erlebe die Freude über das Gelernte und entwickle dich in deinem eigenen Tempo. Dieser Weg der inneren Kultivierung ist ebenso wichtig wie die Bewegung selbst. Lächle innerlich, während du übst, um dein Herz zu öffnen. Lasse dein Bewusstsein so leer werden, dass du spontan und natürlich reagieren kannst. Konzentriere dich auf die Bewegungen und halte störende Gedanken fern.
Mit dem Herzen lenke man das Qi. Man achtet darauf, dass man es sinken lässt. Dann ist man in der Lage, es aufzunehmen und zu sammeln, so dass es in die Knochen dringt. Mit dem Qi mobilisiere man den Körper.
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6. Bewege dich ohne Unterbrechung
Lasse deine Bewegungen ohne Unterbrechung fließen, sodass sie harmonisch und im Einklang bleiben. Achte darauf, dass keine Bewegung abrupt endet oder beginnt. Nur durch den kontinuierlichen Fluss entfaltet sich die wahre Schönheit des Tai-Chi und du wirst in einen meditativen Flow finden.
In jeder Bewegung muss der ganze Körper leicht und beweglich sein, und alle Teile müssen wie Perlen auf einer Schnur miteinander verbunden sein. Das Qi soll angeregt werden, aber das Shen im Inneren soll bewahrt werden.
Zhang Sanfeng: Klassiker des Taichichuan
7. Nimm dir einen Moment der Stille
Im Tai-Chi folgt das Qi der Aufmerksamkeit. Statt Muskelkraft einzusetzen, arbeite mit dem Geist und der Vorstellungskraft. Verschwende nicht deine Kraft wie in den harten Kampfkünsten durch hohe Sprünge, Boxen und Tritte. Bewege dich sanft und ruhig, um Körper und Geist zu regenerieren und zu erfrischen.
Nimm dir vor jeder Übungseinheit einen Moment der Stille, um dich zu zentrieren. Während der Bewegung halte deinen Geist ruhig und fokussiert. Die Atmung vertieft sich dabei automatisch, und das Qi kann sich im unteren Dantian sammeln.
Obwohl man sich bewegt, ist man doch ruhig. Deshalb gilt beim Üben der Formen: je langsamer, desto besser.
Yang Chengfu: Zehn Prinzipien der Kunst des Taichichuan
8. Fazit: Nutze die Weisheit der klassischen Texte
Mit diesen sieben Tipps aus den Klassikern des Tai Chi Chuan hast du einen klaren Leitfaden in der Hand, um deine Praxis auf eine neue Ebene zu heben. Sie helfen dir, Körper und Geist zu verbinden, die Prinzipien von Fülle und Leere zu verstehen, aus deiner Mitte heraus zu handeln und jede Bewegung bewusst aus der Stille entstehen zu lassen. Egal, wo du dich gerade befindest: Wenn du diese Prinzipien beherzigst, wird Tai-Chi mehr als nur eine Abfolge von Bewegungen – es wird zu einer Quelle der Ruhe, Kraft und inneren Ausgeglichenheit in deinem Alltag. Probiere es aus und entdecke, wie viel Tiefe und Freude in deiner Tai-Chi Praxis steckt!
Und wo kann ich die Klassiker nachlesen? Frag einfach deinen Tai-Chi-Lehrer. Er kann dir entsprechende Bücher oder Broschüren deines Stils empfehlen. Vielleicht hat er die Texte bereits in einem PDF zusammengestellt – so wie ich. Wenn du bei mir lernst, gebe ich sie dir gerne weiter. Hier geht’s zu meinem Angebot.