Wie du als Anfänger die richtige Tai-Chi-Praxis für dich findest – und was dir niemand sagt
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Wenn du dich für Tai Chi interessierst und es gerne lernen möchtest, dann erfährst du diesem Beitrag, warum du als Tai Chi-Anfänger auf die richtige Tai-Chi-Praxis achten solltest. Ich bin Simone und praktiziere Tai Chi seit 2005. Ich habe viele Erfahrungen damit gesammelt und möchte dir eine Sache mit auf den Weg geben, die dir niemand sagt, und die dennoch so wichtig ist, um mit Tai Chi gute Ergebnisse zu erzielen und Leichtigkeit und Freude beim Üben zu erleben. Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Es geht um die Atemtypen im Tai Chi – und natürlich auch im Qigong. Welche Vorteile sie dir bringen und warum ich die Atemtypen für so entscheidend halte, zeige ich dir in diesem Artikel.
1. Was sind die Atemtypen?
Die Atemtypen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von dem Musiker Erich Wilk (1915-2000) entdeckt und beschrieben. Sie sind heute unter den Bezeichnungen Einatmer und Ausatmer oder lunar und solar bekannt und werden in vielen Bereichen wie Tai Chi, Yoga oder Gesangsunterricht eingesetzt. Wilk entwickelte auch ein Therapiekonzept, das einen Satz von jeweils 12 typgerechten Körperübungen zur richtigen Atmung und Bewegung umfasst und das er in seiner Arbeit mit chronisch Kranken erfolgreich einsetzte.
Vielleicht hast du dich schon einmal gefragt, wie man richtig atmet? Die Atemtypen zeigen, dass es nicht die EINE richtige Methode gibt, sondern dass wir unterscheiden müssen. So braucht der lunare Einatmer viel Sauerstoff, atmet tief in die Brust ein und saugt sich mit frischer Luft voll. Diese lässt er dann sanft wieder entweichen. Was nun dem Einatmer mehr Lebensenergie gibt, bereitet dem solaren Ausatmer große Beschwerden. Denn dieser muss tief aus dem Bauch heraus atmen und fühlt sich dann in seiner ganzen Kraft, wenn er richtig lang ausatmen kann. Das Einatmen geschieht dann wie von selbst.
Zusammenfassend kann man sagen: Im eigenen Atemtyp zu leben bedeutet, in der eigenen Kraft zu sein, z.B. beim Radfahren schnell voranzukommen, ohne zu ermüden. Auch im Tai Chi und Qigong spielt die Art, wie wir uns bewegen und atmen, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Schauen wir uns die Atemtypen unter diesem Aspekt an.
2. Die Atemtypen im Tai Chi
Tai Chi Chuan ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Tai Chi-Stilen und Richtungen, die sich trotz ihres gemeinsamen Ursprungs hinsichtlich Atmung und Körperhaltung stark unterscheiden. Verschiedene Arten der Atmung hat es im Tai Chi – so gesehen – schon immer gegeben. Sie wurden jedoch unterschiedlich bezeichnet und sind im Wesentlichen das, was wir heute als Tai Chi-Stile bezeichnen, wie z.B. Yang-Stil, Wu-Stil, Chen-Stil, Hao-Stil, Sun-Stil, Lee-Stil und ihre neueren Variationen.
Als ich anfing, mich mit den Atemtypen zu beschäftigen, hörte ich eine Tai Chi-Praktizierende sagen: „Wenn die Atemtypen so wichtig wären, dann hätten die alten Chinesen das doch gewusst…!“ Zunächst kann man feststellen, dass es kulturübergreifend eine Vielzahl von Theorien und Methoden zum richtigen Atmen gibt. Zum anderen gibt es durchaus Hinweise darauf, dass die Bedürfnisse von Ein- und Ausatmern in China bekannt waren, auch wenn sie nicht so genannt wurden und in andere Konzepte integriert waren, z.B. in die Polaritäten von Yin und Yang oder den kleinen und großen Himmlischen Kreislauf, wie der deutsche Tai Chi-Pionier Frieder Anders in seinen Büchern herausgearbeitet hat. Die verschiedenen Arten der Atmung wurden jedoch nicht direkt mit der Tai Chi-Praxis verknüpft, sondern vor allem in den daoistische Meditationslehren besprochen. Erst das Studium der Tai Chi-Anleitungen verschiedener Tai Chi-Meister brachte Licht ins Dunkel. Diese Aufschlüsselung ist übrigens das Verdienst von Frieder Anders, der heute seinen 80. Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch!
Eine wichtige Quelle für seine Nachforschungen war unter anderem die Doktorarbeit von Rainer Landmann mit dem Titel Taijiquan: Konzepte und Prinzipien einer Bewegungskunst; Analyse anhand der frühen Schriften (2002). Er hat die widersprüchlichen Aussagen der verschiedenen Tai Chi-Stile zusammengetragen, allerdings nicht ganz unparteiisch, denn man merkt ihm seine Sympathie für den Atemtyp des Ausatmers an.
Auch unter den Tai Chi-Lehrern kann die Kenntnis des Atemtyps leider nicht vorausgesetzt werden, und es ist nach wie vor so, dass die meisten einfach ihre eigenen Vorlieben unterrichten, ohne genauer hinzuschauen, ob diese für alle ihre Kursteilnehmer geeignet sind. Deshalb möchte ich dich im Folgenden in die Lage versetzen, selbst zu beurteilen, was für deinen Atemtyp geeignet ist und was nicht. Schauen wir uns dazu einige Prinzipien des Tai Chi genauer an.
3. Wie die Atemtypen verschiedene Tai Chi-Prinzipien widerspiegeln
Damit du dich beim Tai Chi von der ersten Stunde energetisiert fühlst, ist eine atemtypgerechte Tai Chi-Praxis unerlässlich. Deinen Atemtyp kannst du ganz einfach im Internet bestimmen lassen (→zum Selbsttest). Ich möchte dir nun drei Übungsprinzipien aus dem Tai Chi und Qigong vorstellen und mich dabei auf einen Aspekt konzentrieren, der auch für Laien am leichtesten erfahrbar ist: die Bedeutung der „richtigen“ Körperhaltung.
Einatmer | Ausatmer | |
Kopfhaltung | Mit dem Scheitel den Himmel spalten! Halte deinen Kopf aufrecht und hebe ihn leicht an, so dass du etwas über den Horizont in die Ferne blicken kannst. | Wie eine Marionette am Faden! Lass deinen Kopf wie an einem unsichtbaren Faden hängen. Richte deinen Blick nach unten auf einen Punkt, der 15 Meter vor dir auf dem Boden liegt. |
Haltung des Oberkörpers | Oberkörper aufrecht! Stehe auf den Fersen und richte dich von unten nach oben auf. Die betont aufrechte Körperhaltung erleichtert das Einatmen. | Oberkörper geneigt! Stehe tendenziell auf dem Vor- oder Mittelfuß, so dass du leicht nach vorne „kippst“, als würdest du hohe Absätze tragen. Die nach vorne gebeugte Haltung fördert das Ausatmen. |
Stehen wie eine Säule | Arme oben halten! Stell dir vor, du umarmst eine Säule. Halte dabei die Arme über Schulterhöhe, offen und rund. | Arme unten halten! Stell dir vor, du umarmst eine Säule. Halte die Arme locker und oval auf Brusthöhe. |
4. Fazit und Hinweise für die Suche nach einem passenden Tai Chi-Kurs
Die Atemtypen im Tai Chi bestimmen die gesamte Tai Chi-Praxis. Mit ihnen kannst du die ganze Bandbreite der positiven gesundheitlichen Wirkungen für dich nutzen und unerwünschte Nebenwirkungen von vornherein vermeiden. Je tiefer du in das Tai Chi eintauchst, desto wichtiger wird dein Atemtyp, denn er entscheidet darüber, ob dir die fortgeschrittenen Tai Chi-Techniken gelingen und du mit der Lebensenergie Qi arbeiten kannst.
Wenn du mit Tai Chi beginnst, findest du wahrscheinlich in deiner Stadt oder in deiner Umgebung Kursangebote. Wenn möglich, besuche eine Probestunde und schau dir die Rahmenbedingungen an: Ist der Lehrer kompetent? Ist die Atmosphäre im Kurs entspannt oder fröhlich? Sind die anderen Teilnehmer sympathisch? Wie ist der Gesamteindruck? Aber noch wichtiger ist, ob du dich mit dem angebotenen Tai Chi in deinem Körper wohl fühlst und ob die Anweisungen des Lehrers zu dir passen. Das merkst du wahrscheinlich nicht gleich in der Probestunde, weil du zu viele neue Eindrücke aufnimmst und die erste Stunde sehr aufregend ist.
Interessant wird es, wenn du dich für einen Anfängerkurs entscheidest, der in der Regel aus 10 bis 12 Terminen besteht und in dem du Tai Chi besser kennenlernst. Welche der oben genannten Übungsprinzipien vermittelt dir dein Lehrer? Passen sie zu deinem Atemtyp? Fühlst du dich dabei wohl? Auch wenn du am Ende des Kurses vielleicht feststellst, dass diese Tai Chi-Richtung doch nicht zu dir passt, hast du eine neue Kompetenz erworben, mit der du viel besser unterscheiden kannst, was dir gut tut und was nicht. Das hilft dir, beim nächsten Mal den für dich idealen Tai Chi-Kurs zu finden.
5. Tai Chi-Test: Finde das Tai Chi, dass zu deinem Atemtyp passt
Du möchtest mehr über deinen Tai Chi-Atemtyp erfahren? Dann schau dir meinen neuen Tai Chi-Test an!
Mit diesem kannst du in nur zwei Minuten deinen Atemtyp bestimmen und erhältst wertvolle Impulse für eine atemtypgerechte Tai Chi-Praxis – egal ob du gerade erst mit Tai Chi beginnst oder schon fortgeschritten bist!